07.08.2023, 17:26
“But I think no one can deny that the seed of violence remains within each of us.”
- Jean Luc Picard - Star Trek: The Next Generation : Violations
Wie zu erwarten gewesen war, ging alles reibungslos. Die Quds Forces waren nunmal nicht umsonst Eliteeinheiten. Sie genossen ihren Ruf zurecht. Chance hielt sich natürlich mit Kommentaren zurück. Er war zwar immer für einen schnippischen oder auch mal gänzlich unangebrachten Kommentar zu haben, doch momentan waren sie noch nicht mal ordentlich angekommen, da konnte man es erstmal etwas professioneller und vor allem ruhiger angehen.
Hah, professionel? Kann man das essen, vögeln oder kaputt machen? Machte sich Fortune in bester infanteristischer Manier bemerkbar.
Der Weg führte sie direkt zu ihrer Unterkunft. In so gut wie jeder Streitmacht dieser Welt konnte Chance mittlerweile eine Unterkunft erkennen, wenn er eine vor sich hatte. Genauso war es mit Stabsgebäuden, Waffenkammern und Funktionsgebäuden. Sie verabschiedeten sich wortkarg von ihrem Fahrer. Dieser war vermutlich heilfroh gleich in sein Bett zu können und dann hoffentlich wieder seinen originären Auftrag ab morgen zu erfüllen. Gerade als Offizier waren solche Sonderdienste eine undankbare zusätzliche Belastung. Bei den Mannschaften wäre sowas natürlich ein Goodie gewesen.
Justin ließ sich direkt nach betreten des Gebäudes zu einem Kommentar hinreißen, den Chance mit einem Lachen bedachte. Er meinte zusätzlich: “Es gibt nichts schlimmeres als irgendwelche verrückten Militärs die sich Prunkbauten hinstellen. Auch wenn es natürlich für den einfachen Hassan auch ziemlich cool wäre, in sowas nächtigen zu dürfen.”
Der Werwolf verabschiedete sich von Justin mit einem: “Gute Nacht und bis morgen dann.”
Er ließ sich etwas Zeit beim Auspacken und verstaute seine Sachen ordentlich, wobei er sich immer wieder die Zeit nahm ein paar Dinge sich zu notieren oder auch mit seinem iranischen Mobiltelefon zu arbeiten. Er war mittlerweile ziemlich tiefenentspannt und freute sich innerlich schon auf den nächsten Morgen.
Den Geräuschen im Gebäude nach zu urteilen waren sie entweder in einer Art Gästeblock untergebracht und somit so gut wie alleine, oder die iranischen Mitbewohner hatten eine klare Befehlslage.
Oder die sind auf Übung draußen … gab Fortune zu bedenken.
Klar, obwohl bei dem Stubenstandard hier, ich eher auf einen Gästeblock tippe. Gab Chance zurück.
Der Söldner kannte gerade die Gepflogenheiten der iranischen Truppen recht gut mittlerweile. Da würden keine Mannschaften oder Unteroffiziere in einem solchen Bau untergebracht werden.
Nachdem er alles verstaut hatte ging er noch kurz duschen, wobei er wohl Justin knapp verpasste. Er fiel ohne Umschweife danach ins Bett.
Am nächsten Morgen wurden sie gegen 8 Uhr lokal geweckt. Es wurde an ihre Türen geklopft, durchaus eindringlich, und dann kam mit starkem iranischen Akzent auf Englisch: “Herr Major Hassam wird sie in einer halben Stunde am Haupteingang treffen. Ich stelle ihnen jeweils eine Grundausstattung vor ihre Stuben!”
Der Mann wartete auf keine Bestätigung, sondern man hörte nur das Geräusch mit dem nacheinander zwei anscheinend schwere Taschen vor ihren Türen auf dem Boden abgestellt wurden. Direkt danach hörte man noch kurz wie Stiefel sich entfernten.
Chance machte sich schnell fertig und holte sich die Kampftragetasche herein. Diese hatte einen festen Boden und war gut gefüllt. Er ließ seine Tür zum Bad offen und rief zu Justin herüber, während er die Tasche öffnete und durchsah: “Ist wohl schon Zuckerfest. Uniformen, Stiefel, Gefechtshelm, ABC-Schutzmaske, Plate-Carrier, Holster, Rucksack. Damit kann man sich sehen lassen.”
Er schaute kurz auf die Uniform. Dienstgradabzeichen waren darauf bereits angebracht. Zumindest bei Chance waren es die Abzeichen eines Majors der Quds Forces. Augenscheinlich hatte man seinen üblichen Sold in einen Dienstgrad umgewandelt.
Zeitsprung 04.03.2023
Während der Übung waren auch Soleimani und Justin dazugestoßen. Chance und Zahreddin stellten sich an die rechte Seitenwand des Zielfeldes und beobachteten die beiden anderen bei ihrer Übung.
Er ist nicht schlecht. Hast du … begann Fortune, um jedoch sofort von einem gedanklichen Kopfschütteln des Söldners zum Schweigen gebracht zu werden.
Wir haben noch einen langen Monat vor uns. Gab Chance schließlich zurück.
Kaum war auch Justin mit seiner Übung durch ging es für sie zurück an die 25 Meterlinie, wo Zahreddin und Soleimani ihnen die Aufgabe erteilten, die gleiche Übung mit der Sayyad zu absolvieren. Chance grinste schief als er seine Waffe fertig machte und zwei Magazine aufmunitionierte.
Das Schießtraining verlief in den bereits eingeschliffenen Bahnen für den Rest des Nachmittages. Sie hatten letztendlich keine Munition mehr und packten ihre Sachen zusammen. Bevor es jedoch zum Abendessen ging war erstmal Waffen reinigen an der Reihe. Sie reinigten die Waffen natürlich nicht zu Tode - wie es in den meisten Ausbildungseinheiten der Fall war - eine kurze, aber fachlich korrekte Reinigung und abschließendes Einölen der Rohre und beweglichen Teile waren alles was sie taten.
Die Waffen wanderten zurück in die Waffenkammer und die vier trafen sich nach einem kurzen Zwischenstopp im Wohnblock - den Chance für eine kurze Katzenwäsche (oder eher Hundewäsche) und den Wechsel in eine neue Uniform nutzte - vor der Kantine wieder.
Zeitsprung 10.03.2018 - 18:00 Uhr
Chance hatte den Tag dafür genutzt, Laufen zu gehen, wozu er Justin großzügig eingeladen hatte. Ansonsten war es ein etwas ruhigerer Tag gewesen. Sie hatten die letzte Woche bis zum Mittwoch auf der Schießbahn verbracht und sich weiter mit den Waffen vertraut gemacht. Am Mittwoch, den 07.03.2018, hatten sie einen ganztägigen Orientierungsmarsch rund um die Kaserne durchgeführt. Die gemeinsame - defacto - Schnitzeljagd mit Justin war eine willkommene Abwechslung gewesen, dabei hatten sie sich bereits für eine Langwaffe zum Mitführen entschieden. Zahreddin hatte ihnen erklärt sie könnten jederzeit diese Wahl ändern, empfahl jedoch mit einer Waffe diese Ausbildungsabschnitte bis zum Ende durchzuziehen. Chance hatte sich aufgrund der Herausforderung für die Shaher entschieden - das Gewicht war auch ein gutes Training gewesen.
Das Schießen auf der 350 Meter Schießbahn hatte immer mehr Routine in die beiden amerikanischen Schützen eingeprägt und alle drei Waffen waren zumindest Chance mittlerweile so vertraut wie die meisten Waffen, die er selbst besaß.
Nun stand er in seinem Zimmer und packte seinen Rucksack für den heutigen Abend. Draußen versank gerade die Sonne hinter dem Horizont. Sie sollten heute einen Nachtorientierungsmarsch absolvieren. Die ungefähre Streckenlänge hatte Soleimani mit “um die 50 Kilometer” umschrieben. Was an sich schon eine ordentliche Marschleistung für eine Nacht wäre, aber sicherlich war das die reine Luftlinie und die üblichen Navigationsfehler und Verirrungen waren da noch nicht eingerechnet.
Chance trug die Uniform bereits, hatte sich - gemäß den groben Anweisungen von Soleimani und Zahreddin - die Schutzweste und den Helm bereitgelegt. Seine Waffe - die Shaher - lag bereits auf ihrem Zweibein bereit auf dem Boden. Die Schutzweste war gefüllt mit Magazinen - nur Manövermunition - und allen möglichen Zusatzausstattungen. Er hatte ein wenig Erste-Hilfe Ausrüstung in den Taschen verstaut und zusätzlich ein GPS-Gerät, Kompass und am wichtigsten Zeichen-, sowie Kartenmaterial. Letzteres war lediglich Material, dass sie gestern im Schnellverfahren von existenten Karten abgezeichnet hatten. Ergänzende Hinweise und Wegbeschreibungen würden sie auf dem Marsch selbst finden.
Im Tiefziehholster war die Pistole verstaut, ebenfalls mit Manövermunition geladen.
Zusätzlich lag sein Rucksack bereit. Darin war ein Grundstock an Wechselkleidern - auch zur Witterungsanpassung - sowie Essen und Trinken. Außerdem ein Notfallhandfunkgerät.
Er nickte langsam zu sich selbst und stiefelte dann aus dem Zimmer und klopfte an die Tür von Justin.
“Hey, bist du fertig? In einer halben Stunde geht’s los.”, rief er durch die Tür