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Nachts im Labor
Szenen-Informationen
Charaktere Sayo Senkaniso » Jeremy Mochandes
Datum 04.09.2018
Ort University of Texas at Austin - Laborkomplex Colleges of Natural Sciences
#1
"Uh, scratch that idea.

I don't think we're the targets."
- Lina Inverse


Morgana hatte einen weiteren gewöhnlichen, aber langen Tag im Labor hinter sich. Sie hatte sich in den letzten fünf Monaten weiter gut einleben können und sogar begonnen die Dinge in ihrem kleinen Machtbereich signifikant zu wandeln - natürlich erst nach Ablauf der obligatorischen 100 Tage. Die Ergebnisse waren sichtbar und definitiv nicht von der Hand zu weisen: Erhöhte Effizienz und geringere Fehlerquoten.
Sie hatte sich in den letzten Monaten auch mit dem Ausnahmeslawen - wie sie Konietzko bereits einstufte - und Joe-Anne immer wieder getroffen. Es war neu und aufregend, zugleich hatte sie sich erlaubt das Gesamtgleichgewicht etwas mehr hin zu ihrer Freizeit zu verschieben. Diese bestand - neben den gelegentlichen Treffen mit den beiden Studenten - aus Studium okkulter Texte, Übungen ihrer eigenen Fertigkeiten, magisch sowie mundan und eine Mischung aus Videospielen sowie Anime.
Doch heute war sie noch spät im Labor, da eine Testreihe noch abgeschlossen werden musste. Diese würde am nächsten Morgen in letzter Minute noch in eine Veröffentlichung des Professors einfließen. Natürlich würde sie unter ihrem derzeitigen Namen auch die entsprechende Teilhabe an diesen akademischen Laureaten genießen dürfen. Für diese Ehre war sie - sie schaute automatisch auf die Uhr an ihrem Handgelenk - um 22:47 Uhr noch hier und wartete darauf, dass die Maschinerie unter ihrer Kontrolle die letzten Ergebnisse lieferte.
Sie zog ihr Mobiltelefon - ein modernes Smartphone mit einer tiefpurpurnen Hülle mit der stilisierten Aufschrift ‘Slayers’ sowie einem rothaarigen Animemädchen in einer Gewandung, die förmlich ‘Magierin’ schrie - aus der Tasche ihres Faltenrockes, den sie unter ihrem lose übergeworfenem Laborkittel trug.
Die Doktorin entsperrte das Telefon mit ihrem Daumenabdruck und tippte sich durch das Internet. Es war immer noch unterschwellig beeindruckend, wie einfach es mittlerweile war, Informationen jeglicher Art zu finden und das alles in ihrer Hand.
Wenn ich das in Japan oder in Deutschland gehabt hätte, wäre das Studieren noch viel leichter gewesen.
Das Fräulein Sturmbannführer war ehrlich gesagt immer wieder überrascht über die Studienabbrecherquoten, welche sie durch die Laborpraktika, Vorlesungen und Prüfungen sehr gut mitverfolgen konnte. Das meiste war schierer Fleiß und sich nicht von scheinbar übergrößen Aufgaben entmutigen zu lassen. Doch das zeigte auch immer wieder, dass es eben Wesen gab, die von Natur aus fleißig und arbeitsam waren und andere waren hingegen faul und zerstörerisch in ihrem Naturell.
Aus dem Augenwinkel konnte sie sehen, dass die Zeitschaltuhr ihr noch 35 Minuten gab, bis sie die lang erwarteten Ergebnisse erhalten würde. Sie zog aus der anderen Tasche ihres Faltenrocks ein paar Innenohrkopfhörer, welche in der gleichen Farbe wie die Mobiltelefonhülle gehalten waren. Die Hörer wanderten in ihre Ohren und Morganna schaltete eine Musikliste ein, welche zwischen traditionellen Märschen, Animemusik und J-Pop schwankte.
Die Halbtelephatin war mittlerweile komplett alleine - zumindest in diesem Teil des Laborkomplexes, aber auch vermutlich mit großer Sicherheit im gesamten Gebäude und wahrscheinlich auch einigen Nachbargebäuden. Somit war es komplett unbedenklich aus ihrer Sicht, sich diesen Luxus zu gönnen. Daran hing sie noch eine Lockerung der Kleiderordnung an, indem sie ihre zu einem Dutt zusammengebundenen Haare öffnete und diese frei bis zu ihrer Hüfte fielen. Sie freute sich schon darauf später nach Hause fahren zu können und dort das dunkelblaue Hemd inklusive Büstenhalter loszuwerden. Sie war schließlich seit über 16 Stunden schon hier.
Morgen habe ich dann erstmal frei und dann mal sehen was der Rest der Woche so bringt.
Sie summte leise die Musik mit, hier und da kam ihr auch der eine oder andere Vers ebenso leise über die Lippen. 



   
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#2
CF: Einstiespost

Die Tür war nach einigen Sekunden geknackt. So viel zum Thema einbruchssicheres Schloss dachte Jeremy leicht belustigt, als er den Schließzylinder aus seiner Fassung in der Tür zog und sorgsam in seiner Umhängetasche verstaute. Er würde ihn später wieder einbauen. Falls die Schlösser hier nicht regelmäßig kontrolliert wurden, würde es wohl niemals auffallen, dass er diesen Eingang gewählt hatte. Die Kameras, die das Gelände um die Einrichtung überwachten, waren ebenfalls recht einfach zu vermeiden gewesen, genau wie der Drahtzaun, der das Klinikgelände in diesem Bereich umgab. Wie bei vielen Sicherheitskonzepten schien hier alles nur dazu zu dienen sicher auszusehen. Beruhigte die Nerven des Besitzers und schreckte gleichzeitig Anfänger ab. Ein Anzeichen, dass die ausführende Firma und die Chefetage des Labors nicht mit sorgsam geplantem Eindringen, sondern mit Gelegenheitsdieben geplant hatten. Ein Umstand der, obwohl nachvollziehbar, ihnen jetzt auf die Füße fallen würde.

Die Gänge waren still und leer, wie um diese Uhrzeit zu erwarten. In ein oder zwei Fenstern war noch schwaches Licht zu sehen, aber entweder hatte man schlicht vergessen es da auszustellen oder einige unverbesserliche Eierköpfe zerbrechen sich selbige über irgendwelche Probleme in ihrer Forschung. Was da auch immer der Fall sein mochte, es würde Jeremy nicht in seiner Arbeit behindern. Der Vampir studierte kurz einen Fluchtplan an der Wand. Das Licht der Notbeleuchtung reichte aus, dass die eingezeichneten Strukturen hell erschienen wie bei Tageslicht. Den Gang runter, zweiter Gang rechts, dann erster links, dritte Tür linke Seite. Der Raum war als “Archiv” gekennzeichnet und das stimmte zu einem Gewissen grad auch. Allerdings brauchte man um da reinzukommen mehr als einen Hausausweis.
Jeremy konnte sich nicht erinnern, schon einmal eine Einrichtung erlebt zu haben, die derartig sensitive Dokumente wie die Molekularanalyse einer potenziell bahnbrechend neuen Legierung derart nachlässig behandelten. Andererseits, ein “Streng-Geheim”-Stempel und die rein physische Aufbewahrung, inklusive Verbot aller elektrischen Geräte beim Aufenthalt in dem Raum, war wohl der beste Weg im digitalen Zeitalter eine Information halbwegs lang zu schützen. Kurz fragte sich der Vampir, ob es nicht einfacher gewesen wäre einen Mitarbeiter zu bestechen und mit der Aufgabe zu betrauen. Lag es am relativ kleinen Kreis derer, die von dem Paper wussten? Schließlich musste sein Auftraggeber ja auch irgendwie davon erfahren haben, also gab es doch vermutlich schon ein Leak. Andererseits, was ging ihn das schon an. Solange die Kohle pünktlich auf seinem Konto landete, konnte man ihn meinetwegen auch Reizunterwäsche klauen schicken.

Am Archivraum angekommen, blieb der Vampir wie angewurzelt stehen. Da sang jemand. Und Jeremy erkannte nicht nur die deutschen Worte, die als so seltsam akzentloses, geschliffenes Hochdeutsch daherkamen, dass es beinahe unheimlich anmutete. Es war dazu noch ein altes Marschlied! Ein Lied, das er nicht mehr gehört hatte, seit…
Für den Bruchteil einer Sekunde überschwemmte lange vergessen geglaubte Erinnerungen und Bilder Jeremy’s Gedanken, bevor er sich wieder fing. Dass hier noch jemand war, verkomplizierte die Sache, aber war kein Beinbruch. Dass keine Musik zu hören war, deutete an, dass die Person Kopfhörer nutze. Die Musik und das Gesinge würden also das wenige, was er an Geräuschen verursachte, übertönen.
Als sich der Vampir am Schloss zu schaffen machte, spukten noch immer die Geister aus seinen letzten Jahren in Deutschland durch seine Gedanken. Er hasste es, wenn ihn derartige Trigger unvorbereitet trafen.
Der Vampir war sich in diesem Moment nicht bewusst, wie angebracht der Hass eigentlich war, hatte er doch, wenn auch nur kurzzeitig, mit der Wucht des Flashbacks die unbewusste Abschirmung seiner Gedanken unterbrochen.
[Bild: Jeremy-Mochandes-angepasst.jpg]
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#3
Der Zeiger der Zeitschaltuhr war mittlerweile bis nah an die ‘15’ gewandert, was sie nicht nur durch den Seitenblick auf das Ziffernblatt wussten, sondern auch erahnt hatte durch die Anzahl der Lieder und ihr inneres Zeitgefühl.
“... und das heißt … Eerika”, kam es ihr unweigerlich über die Lippen, als das von der Wehrmacht ersonnene Marschlied mit dem eingängigen Refrain in ihren Ohren wiederhallte.
Sie summte den Takt genauso mit, unterließ jedoch mit den Händen den Trommeltakt nachzuempfinden.
Das Lied hatte sie sehr gerne auf Märschen, aber auch zu anderen Anlässen mitgesungen, denn es war eingängig und wirklich mitreißend. Natürlich nicht so mitreißend, wie auch nur ein Fragment der kakophonischen Symphonie des wahnsinnigen Azathoth und seines Hofstaates. Erinnerungen an eisige Wüstennächte, erfüllt mit Schatten in den Schatten, unnatürlichen und unbegreiflichen Geometrien in diesen Schatten und den unbeschreiblichsten Klängen, die auf den Wellen des Äthers zu reiten schienen, tauchten wie aus einem tiefen und stillen See in ihren Gedankengängen auf. Doch sie schob diese unbewusst zurück, jetzt war nicht die Zeit dafür.
Es war in diesem Moment des geistigen Treibens, als sich ein Gefühl in ihrem Kopf kurz bemerkbar machte. Es war wie ein Druck, der zugleich in ihrem Kopf, aber zugleich auch ganz in der Nähe ihres physischen Körpers zu sein schien. Als wäre sie in einer gelartigen Masse und ein große Präsenz würde sich plötzlich in ihrer Nähe in derselben Masse bewegen.
Morgana schaute sich den inneren Instinkten folgend im Labor um, doch hier war Nichts zu sehen. Doch ihre Ausbildung im Schwarzen Orden und auch unter ihren anderen Lehrmeistern hatte ihr viele okkulte Weisheiten gelehrt, dazu gehört auch sich auf ihre Instinkte zu verlassen oder zumindest diese mit wachem Verstand und großer Aufmerksamkeit zu studieren. Die Theorien Einsteins zum Raum, Gravitation und den Beziehungen von Körpern zueinander waren - obgleich er aus nicht nur einem Grund problematisch gewesen war - kamen dem Fräulein Sturmbannführer unweigerlich in den Sinn. Schließlich war diese im Okkultismus und vor allem, wenn man mit Vorgängen jenseits des drei Dimensionalen zu tun hatte, eine Hilfe im Verständnis, wenn zugleich eine weltlich-logische Herangehensweise nur Verzweiflung und Wahnsinn in Aussicht stellen konnte.
Sie hatte momentan keinen gebundenen Diener, wodurch sie zwar natürlich nicht schutzlos war, doch zumindest keine Möglichkeit hatte, etwas übernatürliche Hilfe in der Suche nach dem Ursprung ihres merkwürdigen Instinktes einzusetzen.
Naja, ich habe noch genug Zeit und vermutlich ist es nur das zufällige Vorbeistreifen eines Wesens auf der Ätherebene.
Das Gefühl oder Instinkt war mittlerweile genauso schnell verflogen wie er gekommen war, dennoch nahm sie die Kopfhörer aus den Ohren, verstaute diese feinsäuberlich in ihrem Kittel zusammen mit dem Mobiltelefon. Nach einem letzten Blick auf ihre Apparaturen - die natürlich alle noch vorschriftsmäßig liefen - stand sie auf und ging langsam mit maximaler Konzentration auf allen ihren Sinnen zur Tür ihres Labors und auf den Flur hinaus.
Dort konnte sie bis auf die Notbeleuchtung jedoch nichts entdecken. Die restlichen Türen entlang des Flures waren geschlossen und es gab in den Räumen mit Fenstern zum Flur hin keine Anzeichen auf etwas Ungewöhnliches - weder natürlicher noch übernatürlicher Art.
Sie fuhr sich nachdenklich durch die Haare und entschied, mit einer ruckhaften Drehung, noch in den allgemeinen Flurbereich des Hauses zu gehen. Es waren nur ein paar Meter bis zur doppelflügligen Durchgangstür, die sich mit ihrem Ausweis öffnen ließ. Es brauchte natürlich keine zwei-Faktor-Authentifizierung oder etwas Ähnliches, was sie schon in einem Verbesserungsschreiben angemerkt hatte. Für das Freischalten der Tür von der anderen Seite benötigte man immerhin die Karte und einen Iris-Scan, was aber bei dem Stand der Technik einfach Augenwischerei - im wahrsten Sinne des Wortes - war. Schließlich konnten diese Scanner nicht mal ihre Augenfarbe in 9 von 10 Fällen richtig zuordnen, wodurch die Toleranz so hochgeschraubt war, dass er im Endeffekt jede Iris als die des Passinhabers erkennen würde.
Was dieser sogenannte Sicherheitsbeauftragte bis heute nicht einmal mit einer Antwort gewürdigt hat.. Zeigt einfach erneut, wie unorganisiert dieses Volk der Amerikaner ist.
Sie schob die Verärgerung über dieses ineffiziente und undurchsichtige Vorgehen von sich, als sie die Tür hinter sich schloss und im Hauptflur des leicht verwinkelten Gebäudes stand. Sie schaute in Richtung des Treppenhaus, was ein gutes Dutzend Meter den Gang hinunter lag, dort war jedoch nichts zu sehen. Sie drehte sich in die andere Richtung, in welcher der Gang noch deutlich mehr als nur ein Dutzend Meter weiter verlief, bis er sich in Dunkelheit und Schatten auflöste.
Sie meinte einen etwas zu organischen Schatten in den anderen Schatten im Korridor zu erkennen, war sich aber nicht wirklich sicher und wog innerlich ab, ob es sich lohnte weiter zu suchen, oder sie es dabei belassen sollte.
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#4
Jeremy hatte sich die Dokumenten-Mappe geschnappt. Es war ein Papier-Faltordner, wie es ihn zuhauf in Büros gab. Immerhin hatten sie offenbar einen neuen genommen, zumindest war die Pappe nicht von jener gelblichen Verfärbung betroffen, die die Ästhetik dessen geprägt hatte, was sich die meisten unter “Geheimdokumente” vorstellten. Auch war es natürlich kein an der Schreibmaschine getippter Text, sondern eine Sammlung einzelner Blätter. Analyseausdrucke, handschriftliche Notizzettel, teilweise sogar ausgedruckte Bilder.

Es war dieser Moment, der Jeremy dämmern ließ, dass es sich hier nicht etwa um die einzige, super-geheime Akte der ganzen Unternehmung handelte. Der Ordner war wohl schlicht ein physisches Back-Up. Und natürlich, das ergab ja auch Sinn. Vermutlich lagen die Daten und Notizen digitalisiert und verschlüsselt auf irgendeiner Festplatte oder einem server. Sollte der Datenträger gestohlen, von einem Trojaner verschlüsselt oder anderweitig beschädigt werden, hätte man also immer noch eine physische Kopie.
Der Vampir schüttelte innerlich den Kopf. Es wurde wohl Zeit dass er sein digitales Wissen auffrischte. Manchmal verfiel er doch noch immer zu sehr in alte, analoge Denkmuster.

Als er den Raum verließ und sich gewohnheitsgemäß noch einmal umsah, erstarrte Jeremy für einen winzigen Augenblick. Da war etwas. Jemand. Eine junge Frau. Und sie hatte ihn vermutlich gesehen. Ihre Haltung deutete diese charakteristische Unsicherheit von jemandem an, der mit der Entscheidung rang, weiter nach vorn zu gehen, oder dem dunklen Gang doch den Rücken zu kehren. Der Vampir hatte diesen Moment, diese Haltung, dieses ‘zögernde Nachdenken’, zu oft gesehen. Manchmal war es ein Geräusch. Eine Bewegung in den Schatten zu viel. Der Anflug eines fremden Geruchs. Jedes dieser Dinge konnte einem anderen Wesen seltsam vorkommen. Zu diesem Gefühl führen das irgendwas nicht stimmte. Woraufhin diese dann mit sich rangen nachzuschauen, oder es auf die eigenen Nerven zu schieben. Perfekt wenn man auf der jagt war. Weniger, wenn man auf keinen Fall bemerkt werden wollte. Jetzt war es jedoch zu spät, jede weitere Bewegung und erst Recht rennen, würde Geräusche verursachen. Zwangsläufig. Also blieb nur der Weg nach vorne.

Der Vampir richtete sich auf, baute sich zu seiner vollen größe auf. Ließ die Tarnung fallen, gewissermaßen. Durch das Halbdunkel konnte er die silhouette vor sich gut ausmachen. War es jene junge Frau die er hatte singen hören? War sie hier nur zufällig? Sie konnte ihn unmöglich bemerkt haben. So schlampig arbeitete Jeremy nicht. Er suchte ihre Augen, ihren Blick, und fand ihn. “Ich bin nur der Hausmeister. Gehen Sie zurück zu Ihrem Arbeitsplatz”.  Die Stimme des Vampirs war fest und bestimmend, ohne herrisch zu sein. Eine simple Anweisung, mit einer Geschichte, die die bald sehr verwaschene Erinnerung für den Moment einrahmen würde. Jeremy griff mental nach der Frau- und stieß abrupt gegen eine Barriere. Es war nicht wie bei einem anderen Vampir. Das hier fühlte sich anders an. Das war kein zäher Schleim, der seine Befehle versickern ließ, kein Zaun, gegen den er anrennen konnte. Die Barriere war wie eine Backsteinwand. Es gab nur eine Wesenart, die so unempfindlich gegenüber Vampirscher Manipulation war.

Er steckte die linke Hand langsam in die Tasche, fühlte den Griff seiner Pistole. “Das war…unerwartet. Aber egal. Tun Sie, was ich gesagt habe. Und dann vergessen Sie das hier am besten einfach. Für ihr eigenes wohl…Fräulein“.
Jeremy konnte sich das letzte Wort auf Deutsch nicht verkneifen. Zumal es sicherlich nicht schadete, der Dame klarzumachen, dass er sie wohl gehört hatte.
[Bild: Jeremy-Mochandes-angepasst.jpg]
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#5
Bevor das Fräulein Sturmbannführer ihren Führungsprozess innerlich beenden konnte, wurde ihr die Entscheidung durch die Lage abgenommen. Im hinteren Bereich des langen Flures bewegte sich einer der Schatten in deutlich organischer Art und Weise. Genau dieser hatte auf ihr Unterbewusstes bereits Fehl am Platze gewirkt. Jetzt hatte sie ihre Bestätigung, als ihre Augen die Form eines Menschen, nach Größe und Statur wahrscheinlich eines Mannes, ausmachen konnten.
Der Mann sprach sie direkt an und die Worte waren in einer ruhigen und ihr nur allzu bekannten Tonart vorgetragen. So harmlos der Satz, so verheerend die damit im Äther übertragene Macht. Ihr geistiger Schutz ließ diese Macht jedoch abprallen, wie der Feind an den Wällen einer Festung.
Instinktiv veränderte sie ihre Körperhaltung, Anspannung machte sich in ihren Gliedern breit und innerlich machte sie eine Inventur ihrer Ausrüstung. Sie trug weder eine Waffe bei sich, lediglich ihr Mobiltelefon und verschiedene Stifte sowie die Zugangskarte in ihren Taschen.
Die Telepathin ließ sich dadurch jedoch nicht einschüchtern und erhöhte die Integrität ihrer mentalen Schutzbarriere. Auch wenn der Versuch des Mannes einfach verpufft war, würde sie ihn nicht unterschätzen, denn auch ihren Fähigkeiten waren Grenzen gesetzt.
Bevor sie sich weiter damit beschäftigen konnte, wie sie diese Situation entschärfen oder abarbeiten sollte, hatte auch ihr Gegenüber die Unwirksamkeit seines ersten Angriffs bemerkt.
Die unverhohlene Drohung wäre sicherlich genug gewesen, um die normalen Wissenschaftler der Universität zum sofortigen Ausweichen in den wortwörtlichen rückwärtigen Raum zu animieren. Morgana war jedoch sicherlich nicht normal nach den Standards dieser modernen Welt.
Ihre Gedanken rasten in ihr altbekannten Mustern und sie versuchte so schnell wie möglich die Lage zu bewerten. Der Unbekannte war sich seiner Sache in beiden Versuchen höchstgradig sicher gewesen, was bedeutete, dass er entweder ein überaus mächtiger Telepath mit einer Waffe oder ein mächtiger Vampir war. Vampire waren in der Regel so überzeugt von ihrer körperlichen - und geistigen - Überlegenheit gegenüber der menschlichen Rasse, dass sie sich Waffen nur bedienten, wenn sie die Gejagten waren oder einen wirklichen Mehrwert aus diesen generieren konnten. Natürlich war der schlimmstmögliche Angriffsvektor im Moment ein mächtiger Vampir, der auch noch eine Schusswaffe hatte, um sie auf Distanz auszuschalten.
Sie könnte mit ihren körperlichen Fähigkeiten einen unbewaffneten Mann mit der Statur des Unbekannten nur mit Glück ausschalten, mit einer Waffe - egal welcher - wäre ihr der Triumph garantiert. Einen Vampir würde sie ohne die entsprechende Ausrüstung nicht auf mundane Art besiegen können.
Nur gut, dass ich nicht auf nur einen Werkzeugkasten zugreifen kann. Dieser Abschaum ist zur falschen Zeit hier.
Das nachgeworfene ‘Fräulein’ ließ sie unwillkürlich den Kopf schütteln. Zumindest war ihr Gegenüber gebildeter als der gemeine Amerikaner. Also noch einmal gefährlicher.
Sie hatte ihre Fokuskette, welche als geheimer Trumpf und letzte Endlösung für jede Lage um ihren Hals hing, jedoch vor neugierigen Blicken verborgen unter ihrem Hemd. Ihr magisches Repertoire würde sie selbst über einen Vampir triumphieren lassen. Ein bewaffneter Telepath wäre ein noch geringeres Problem.
Hätte sie einen Shoggothen an sich gebunden, wäre diese Situation schon lange bereinigt gewesen.
Hätte, wäre, könnte. Ich habe die Nebel und Konjiki No Mao, das wird ausreichen, selbst wenn er auf mich schießen sollte.
Doch bevor sie irgendetwas Drastisches tat, wandte sie sich an den Unbekannten: “Das war ein interessanter Versuch. Es ist immer schön, meine Fähigkeiten im wirklichen Leben auszutesten. Und nun? Scheinbar wollen sie diese missliche Lage ohne Aufsehen beenden, also auch ohne mich töten zu müssen, liege ich da richtig?”
Die Halbjapanerin hatte zumindest eine geringe Hoffnung darauf, dass er sich in ein Gespräch verwickeln ließ. Sie nutzte den Moment jedoch bereits, um sich vorzubereiten. Die Schatten im Flur waren so dicht, dass es sie nur einen flüchtigen Gedanken kosten würde einen Schattennebel um den Kopf ihres potentiellen Angreifers zu erschaffen und diesen davon abzuhalten, zu ihr zu kommen oder eine Waffe einzusetzen. Die beste Option wäre es dann auszuweichen, denn sie würde sicherlich nicht ihr Leben für eine amerikanische Universität über Gebühr riskieren. Ein Notruf mittels ihres Mobiltelefons wäre dann der nächste Schritt, um das ganze bereinigen zu können.
Doch vorerst nutzte sie ihre Kräfte, um einen kurzen Blick hinter den Schleier des Äthers zu werfen. Die Aura ihres Gegenüber verriet ihr nicht fiel, schließlich hatte sie diese besondere Kunst nicht allzu sehr vertieft, jedoch war sie in der Lage zumindest festzustellen, dass es sich nicht um einen Menschen oder Telepathen handelte.
Also höchstwahrscheinlich ein Vampir.
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#6
Jeremy spannte sich innerlich noch mehr an. Da war kein Anzeichen von Furcht. Die meisten Menschen, und für den Vampir zählten auch Telepathen im weiteren Sinne dazu, hatten meist weder die Willenskraft noch die Ausbildung, in einer Stresssituation wie dieser die eigene Panik effektiv unterdrücken zu können. Furcht war zugegebenermaßen eine der wohl effektivsten Methoden, die die Natur Lebewesen zum Überleben mitgegeben hatte. Allerdings ging dies oft mit Panik einher. Mochte diese in der Herde auf der offenen Steppe noch so sehr von Nutzen sein, in einer modernen urbanen Gesellschaft machte sie in der Regel alles noch schlimmer. Panische Menschen handelten irrational, als schalteten sie ihr Gehirn aus. Und so war dies nun der zweite Moment, der Jeremy überraschte. In der Haltung der Frau lag...Respekt. Vorsicht. Vielleicht auch ein bisschen Angst. Aber nicht die geringste Spur von irrationaler Panik.  Geringere Wesen wären jetzt geflohen oder hätten versucht ihn verbal einzuschüchtern, Kampf oder Flucht, die typischen, instinktgesteuerten Reaktionsweisen. Sie tat keins von beidem, sondern hielt seiner Präsens stand. Jeremy neigte seinen Kopf einen Tick zur Seite und musterte sie noch einmal intensiver, bevor er antwortete. Sein Gegenüber strahlte eine gewisse Selbstsicherheit aus. Das imponierte dem Vampir, sah die Dame doch noch relativ jung aus. Er schätzte sie auf maximal Anfang 30. Woher hatte sie die Fähigkeit, so ruhig zu bleiben? 

"Kollateralschäden standen heute eher nicht auf meiner Agenda, das stimmt", sagte der Vampir ruhig. Während er sprach, schlug er mit einer kleinen Bewegung wie zufällig etwas seine offene Jacke beiseite, sodass der Griff seiner Luger für einen Sekundenbruchteil sichtbar war. "Vor allem, weil ich bereits habe, was ich brauche. Ich habe nichts zerstört und niemandem geschadet, falls es sie beruhigt. Nur ein keckes Wagen ist's, was Glück erringt, nicht wahr? Also, noch einmal: vergessen sie das ganze einfach und widmen sie sich am besten wieder den Volksliedern. Ist besser für uns beide, glauben sie mir". Erst nachdem er geendet hatte, realisierte Jeremy, dass er nach seinem Zitat für den Rest des Satzes komplett ins Deutsche abgerutscht war. Hatte sie ihn überhaupt verstanden? Andererseits, was spielte das noch für eine Rolle. Im Hinterkopf plante er bereits den kürzesten Weg nach draußen. Selbst wenn sie die Polizei rief oder, noch schlimmer, bereits jetzt telepathisch jemanden um Hilfe rief, würde das nichts daran ändern, dass er schlicht zu schnell würde fliehen können. Keine der Kameras hatte sein Gesicht aufgezeichnet und man würde kaum mit Phantombildern nach einem Industriespion fahnden. Auch wenn er sich eingestehen musste, dass es ihm fast leid tat jetzt schon zu gehen. Irgendwas an der Frau war...ungewöhnlich. Etwas in ihrer Art, ihrer Ausstrahlung, passte nicht recht ins Bild. Der Vampir konnte nur nicht den Finger darauf legen.
[Bild: Jeremy-Mochandes-angepasst.jpg]
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#7
Die Reaktion ihres Gegenüber ließ nicht lange auf sich warten, zu ihrem Vorteil war es kein Angriff, sondern eine Antwort. Die Distanz zwischen ihnen war zumindest gering genug, dass sie die so gewonnene Zeit auch dazu nutzen konnte, den Mann etwas genauer zu betrachten. Er wirkte wie um die 30, womit er aufgrund seiner übernatürlichen Herkunft irgendetwas zwischen 30 und 300 sein konnte. Seine Antwort offenbarte ein professionelles Selbstverständnis, denn aus ihrer Erfahrung wurde ein nüchterner Sprachgebrauch bei solchen Personen eher geschätzt. Kollateralschaden war in den letzten Jahrzehnten auch in der Kriegsführung ein entsprechend geflügeltes Wort geworden.
Das Metall, welches unter seiner Kleidung hervor lugte, fing für einen Moment das schwache Umgebungslicht ein - vermutlich sogar gewollt - und erregte die Aufmerksamkeit der Halbdeutschen.
Eine Waffe? Das ist … unerwartet für einen Vampir. Will er so weniger auffallen oder gibt es Gründe, warum er nicht seine überlegenen Fähigkeiten einsetzen will? Außer die geistigen …
Die nächsten Worte überraschten Morgana durchaus, da sie nicht erwartet hatte, die Beweggründe seines Hierseins und sogar einen Fortschrittsbericht zu erhalten. Es wäre ihr auch gleich gewesen, wenn er einen der anderen Wissenschaftler im Gebäude hätte töten müssen. Über die professionelle Tätigkeit hinaus, hatte sie keine wirklichen Bande mit den Leuten hier.
Das klingt .. bekannt.
Er hatte keinen Akzent, als er den Rest seiner Antwort auf Deutsch gab. Und die ersten Worte klangen vertraut, aber sie war sich nicht sicher, woher. Ihr Verstand wollte ihr einen musikalischen Bezug suggerieren.
Wenigstens wusste sie nun, dass er sie wohl nicht einfach anfallen, sondern eher erschießen würde. Was natürlich bedeutete, dass die Nebel von Avalon ihre beste Möglichkeit waren.
Doch zunächst nutzte sie die seltene Möglichkeit und sagte auf Deutsch : “Sie müssen mich nicht beruhigen, aber natürlich Lob und Anerkennung für das erfolgreiche Vorgehen.”
Sie begleitete die Worte mit einem Lächeln, obwohl es eher der Formulierung galt, da die Floskel ‘Lob und Anerkennung’ schon im schwarzen Orden bis zur Bedeutungslosigkeit abgegriffen gewesen war. Dadurch, dass sie ihre Scheinidentitäten immer so nah wie möglich an ihrer echten orientierte, waren solche Situationen auch deutlich einfacher zu bewältigen, da sie sich nicht verstellen musste. Als Halbdeutsche waren ihre Deutschkenntniss defintiv vorprogrammiert.
Oh, der Freischütz …
Es fiel ihr - wie es nun mal oft passierte bei solchen Dingen - mitten in einem anderen Gedankengang ein, woher sie den Ausspruch kannte. Er konnte also nicht nur fließend, augenscheinlich muttersprachlich, Deutsch, sondern kannte auch noch eine eher alte Oper, die heutzutage nicht gerade Teil des Allgemeinwissens war - weder in Deutschland noch in Amerika.
Sie lächelte weiter und fügte hinzu: “Also, hoffen sie, dass ihr Schuss gelingt, auf Gott oder auf Samiel?”
Beim letzten Wort griff sie mit ihren Gedanken nach den Schatten, die hinter ihr und neben ihr sich an die Wände und den Boden klammerten. Sie zog diese in einer Woge hinter sich empor, um diese sofort wieder loszulassen. Es war ein ziemlicher Taschenspielertrick, aber Theatralik und Pathos waren genauso Teil des Handwerkszeugs eines Soldaten, wie Waffengeschick - zumindest hatte die Standarte das so gesehen.
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